01.09.2025

Automatisierte Umrichterprüfung für Windenergieanlagen

Moderne Prüftechnik für den Wandel im europäischen Energienetz

Mit dem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energieerzeugung unterliegt das europäische Stromnetz einem grundlegenden Wandel, insbesondere durch die zunehmende Netzanbindung über leistungselektronisch gekoppelte Umrichtersysteme. Hierdurch ergeben sich veränderte Anforderungen an moderne Prüfstände, die Siemens Gamesa Renewable Energy A/S (SGRE) mit dem Grid-Converter Test Rig (G-CTR) mithilfe der PC- und EtherCAT-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff umgesetzt hat.

Moderne Leistungselektronik ermöglicht eine weitreichende Regelbarkeit zur Netzstützung. Ihre im Vergleich zu konventionellen synchronen Generatoren jedoch geringere Fähigkeit zur Bereitstellung von Kurzschlussstrom begrenzt die Unterstützung des Netzes im Fehlerfall. Mit Blick auf die Systemstabilität gewinnt zudem die Beherrschung der Interaktionen zwischen Erzeugungseinheiten hinsichtlich subsynchroner und harmonischer Stabilität auf Systemebene zunehmend an Bedeutung.

Beckhoff Rechner im Einsatz: ein Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6030 (oben links) und zwei Embedded-PCs CX2043 (Mitte und unten)
Beckhoff Rechner im Einsatz: ein Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6030 (oben links) und zwei Embedded-PCs CX2043 (Mitte und unten)

Vor diesem Hintergrund führen Hersteller von Windenergieanlagen (WEA) Testkampagnen an Prototypen durch, um Netzeigenschaften zu ermitteln und validierte Modelle des elektrischen Verhaltens zu erstellen, die für weiterführende Analysen auf Systemebene erforderlich sind. Konventionelle Prüf- und Validierungsverfahren für Windenergieanlagen sind technisch ausgereift und wurden über viele Jahre hinweg im Feldbetrieb erfolgreich angewendet. Die wachsenden Herausforderungen moderner Stromnetze erfordern jedoch ergänzende Ansätze, um den Validierungsumfang über klassische Methoden hinaus zu erweitern. Daher setzt Siemens Gamesa neben den bestehenden Feldversuchen auf innovative Methoden zur Validierung an modernen Prüfständen. Dabei kommen programmierbare Netzemulatorsysteme in Kombination mit langjähriger Felderfahrung zum Einsatz, um den Umfang der Validierung gezielt und effizient zu erweitern.

Erweiterter Validierungsumfang durch moderne Prüfstände

Das Grid-Converter Test Rig ist ein Prüfstand zur flexiblen und reproduzierbaren Untersuchung des WEA-Umrichtersystems, das als zentrale Komponente maßgeblich die Netzeigenschaften beeinflusst. Die Prüfung und Validierung im Feld erfolgt unter realen Bedingungen an der gesamten Erzeugungseinheit. Da die Netzbedingungen dort jedoch nur begrenzt veränderbar sind, bietet ein programmierbarer Netzemulator auf dem Prüfstand ein erweitertes Validierungspotenzial – sowohl für statische und transiente Netzeigenschaften als auch für das Oberschwingungsverhalten. Durch die einstellbare Netzspannung auf dem Prüfstand ist ein flexibler Betrieb über den gesamten Betriebsbereich hinsichtlich Spannung, Wirk- und Blindleistung möglich. Dadurch lässt sich die netzdienliche Leistungsfähigkeit des WEA-Umrichtersystems anhand von Messungen validieren, was unter Feldbedingungen in dieser Form nicht möglich ist. Darüber hinaus ermöglicht die Einstellbarkeit der Netzkurzschlussleistung wie auch des X/R-Verhältnisses die realitätsnahe Nachbildung feldspezifischer Netzszenarien für Offshore-Windparks – sowohl im Normalbetrieb als auch im Fehlerfall. Ebenso ermöglicht die gezielte Einspeisung von Spannungsoberwellen die Bestimmung des frequenzabhängigen Impedanzverhaltens, was die Grundlage für die Validierung harmonischer Modelle des gesamten elektrischen Systems bildet.

Der Power-Hardware-in-the-Loop (PHiL)-Teststand G-CTR wurde von SGRE in Brande, Dänemark, errichtet. Um die hohen Anforderungen an Automatisierung, schnelle und dynamische Regelung sowie die Erfassung und Aufzeichnung hochfrequenter Signale, Spannungen und Ströme zu erfüllen, setzt Siemens Gamesa auf PC-based Control und die Unterstützung von Beckhoff.

Im G-CTR wird der zu prüfende Umrichter, das Device-Under-Test (DUT), zwischen zwei Netzemulatoren positioniert. Diese ABB-Mittelspannungsumrichter ACS6080 bieten Vorteile für PHiL durch die präzise Emulation von Netzbedingungen und eine hohe Flexibilität. Er wird eingesetzt, um realistische Tests und Zertifizierungen von Energiequellen wie Windenergieanlagen durchzuführen, indem er verschiedene Netzszenarien und Fehlerbedingungen nachbildet. Je ein Mittelspannungsumrichter emuliert auf der einen Seite das Netz und auf der anderen Seite den Generator. Die Netzemulatoren können dreiphasige Spannungen und Ströme hochdynamisch einstellen, Netzfehler erzeugen sowie Impedanzen und Harmonische emulieren.

Über EtherCAT werden diese Netzemulatoren an den übergeordneten Test-Controller angebunden, der die Testszenarien definiert sowie die Anlage inklusive weiterer Subsysteme, wie z. B. das Kühl- und Sicherheitssystem, überwacht. Hierbei kommt ein Ultra-Kompakt-Industrie-PC C6030 von Beckhoff zum Einsatz, der über einen Echtzeit-Ethernet-Port-Multiplier CU2508 die zahlreichen EtherCAT-Netzwerke zusammenführt.

Zwei Beckhoff Embedded-PCs CX2043 ermöglichen zusätzlich eine hochdynamische Steuerung von Netz- und Generator-Emulator über die EtherCAT-Bridge-Klemme EL6695 und integrieren u. a. Simulationsmodelle für HiL-Testverfahren. Diese empfangen die Vorgaben aus den Testszenarien vom Test-Controller und führen in MATLAB®/Simulink® entwickelte Module aus, die über TwinCAT 3 Target for Simulink® (TE1400) in TwinCAT überführt wurden. In diesen Simulationsmodellen werden die Rohwerte der genauen Spannungen und Ströme simuliert, inkl. der Phasenlagen und jeglicher gewünschter Effekte. Über EtherCAT-I/O-Module werden die Spannungen und Ströme des Umrichters gemessen sowie zur Regelung und Korrektur in die Simulationsmodelle eingebunden. Dabei wird u. a. mit der Netzmonitoringklemme EL3783 direkt 690 V netzseitig und mit der Hochvolt-Spannungsmessklemme ELM3002-0205 mit bis zu 1.200 V auf der Generatorseite gemessen.

Die gesamte Windenergieanlage wird von Siemens Gamesa durch eine Simulation (BHawC) in Echtzeit abgebildet und kommuniziert mit der Anlagensteuerung (Turbine Controller), welche wiederum mit der Umrichtersteuerung (Converter Controller) kommuniziert und diese ansteuert. Die SGRE proprietäre Schnittstelle zur Steuerung der Anlagen wurde über ein TwinCAT-C++-Modul und mit TwinCAT 3 TCP/UDP Realtime (TF6311) implementiert und im Test-Controller eingebunden.

Die Hochvolt-Spannungsmessklemmen ELM3002-0205 (Mitte) im Einsatz
Die Hochvolt-Spannungsmessklemmen ELM3002-0205 (Mitte) im Einsatz

Automatisiertes Testmanagement, umfassende Visualisierung

Eine vollautomatische Durchführung der Vielzahl an Testszenarien ermöglicht der Test-Controller über das Einbinden sogenannter Test-Profile. Diese Profile definieren die Zustände, welche als Vorbedingung (Pre-Condition) für den Test erfüllt sein müssen, die während des Tests zu durchlaufenden Zustände und Signale als Zeitverläufe sowie die Zustände, die im Anschluss (Post-Condition) wieder erfüllt sein sollen. So werden Hunderte von Profilen definiert, in der Visualisierung ausgewählt und anschließend automatisch nacheinander abgearbeitet. Der Bediener muss nur noch die Testabläufe in der Visualisierung beobachten und ggf. im Fehlerfall eingreifen. Das vereinfacht nicht nur die Durchführung der Testszenarien, sondern beschleunigt diese und gestaltet sie reproduzierbar. Gerade die Reproduzierbarkeit ohne manuelle Eingriffe ist relevant, um auch Szenarien aus dem Feld abbilden oder für eine Zertifizierung darlegen zu können.

Die gesamte Visualisierung wurde mit TwinCAT 3 HMI (TF2000) umgesetzt. Sie ermöglicht ein einfaches Starten und Stoppen der Anlage, das Verwalten und Durchführen der Test-Profile sowie die Diagnose und Darstellung aller Zustände und Signale aus den verschiedenen Subsystemen, Emulatoren und dem Umrichter. Darüber hinaus wird intensiv TwinCAT 3 Scope View (TE1300) eingesetzt, um sich je nach Bedarf individuelle Signalverläufe von den hochaufgelösten Rohdaten in Charts aufzeichnen und darstellen zu lassen. Für eine unabhängige Messung über ein redundantes Messsystem werden diese Daten über TwinCAT 3 OPC UA (TF6100) für externe Tools bereitgestellt. Dies ermöglicht automatisches Triggern zum Starten und Stoppen von Aufzeichnungen des externen Messsystems sowie das automatische Ausführen und Aufzeichnen der Tests.

CPU-Optimierungen und EtherCAT für schnelles Abtasten

Der Umrichter ACS6080 lässt sich über eine EtherCAT-Schnittstelle steuern, parametrieren und mit Sollwerten als Magnitude und Phasenlage versorgen. Über eine ABB-eigene Kommunikationsschnittstelle können der Leistungselektronik zusätzlich die Instantan-Werte für die Spannungen mit einer Abtastzeit von bis zu 25 µs vorgegeben werden. Um diese Schnittstelle zu nutzen, wurde Siemens Gamesa Mitglied der EtherCAT Technology Group (ETG) und hat eigens ein Kommunikations-Interface als EtherCAT-Slave auf Basis eines FPGA und des EtherCAT IP Core entwickelt.

Damit die Instantan-Werte für die Spannungen möglichst schnell von den Simulationsmodellen bereitgestellt werden können, nutzt man CPU-Optimierungen. Der Embedded-PC CX2043 mit dem Prozessor AMD Ryzen™ eignet sich für solche hochdeterministische Anwendungen – durch die leistungsstarke Multicore-Architektur und die Nutzung spezialisierter CPU-Instruktionssätze, die präzise und schnelle Datenverarbeitung ermöglichen. Dafür stellt der Prozessor Instruktionssätze wie z. B. AVX2 bereit, um parallele Berechnungen durch Vektorisierung zu beschleunigen. Der Embedded Coder von MathWorks® optimiert C/C++-Code speziell für performante Echtzeitsysteme durch Anpassung an Zielhardware und Nutzung dieser speziellen Instruktionssätze. Dies ergibt eine höhere Effizienz und einen geringeren Speicherbedarf. Mit TwinCAT 3 Target für den Embedded Coder® (TE1402) lässt sich dieser optimierte Code in TwinCAT-Module überführen und in der Echtzeit ausführen.

Vorteile der Automatisierung

Die Vorteile dieser Automatisierungslösung sind aus Sicht von SGRE vielfältig: Durch die Verwendung von EtherCAT und der PC-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff wird eine hochperformante und flexible Testumgebung geschaffen, die auch komplexe und dynamische Szenarien präzise abbilden kann. Die Integration von MATLAB®/Simulink®-Modellen in TwinCAT ermöglicht eine nahtlose Umsetzung von Regelungs- und Simulationsanforderungen; die umfassenden Diagnose- und Visualisierungsmöglichkeiten durch TwinCAT 3 HMI und TwinCAT 3 Scope View sorgen für eine detaillierte Überwachung und Analyse der Testprozesse.

Zusammengefasst bietet die innovative Testumgebung von Siemens Gamesa, unterstützt durch die Automatisierungstechnologien von Beckhoff, eine effiziente, zuverlässige und reproduzierbare Lösung zur Prüfung und Validierung von Multi-Megawatt-Umrichtern für Windenergieanlagen. Dies trägt nicht nur zur Beschleunigung der Markteinführung neuer Produkte bei, sondern stellt auch sicher, dass diese den hohen Anforderungen der Netzbetreiber und Regulierungsbehörden gerecht werden.