

PC-based Control im Einsatz bei Groß-Teleskopen
Das Forschungsinstitut „Instituto de Astrofisica de Canarias“ (IAC) an der Universität von La Laguna, Spanien, betreibt zwei astronomische Observatorien auf den Kanarischen Inseln: das Observatorium Roque de los Muchachos auf La Palma und das Observatorium Teide auf Teneriffa. PC-based Control und Motion Control von Beckhoff ermöglichen den Astrophysikern, die Grenzen des Weltalls zu erforschen.
Die Partnerschaft von IAC und Beckhoff begann mit dem ersten Teleskop für das Q-U-I-Joint-Tenerife-Experiment (Quijote I) vor über zwölf Jahren. Dessen Ziel war, die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds (CMB) und andere galaktische und extragalaktische Emissionsprozesse in Frequenzbereichen von 10 bis 42 GHz zu charakterisieren und auf diesem Weg Spuren des Urknalls zu entdecken. Für die Steuerungstechnik des Teleskops wurde Beckhoff Automation als Partner gewählt – und ist es heute noch.

Präzision mit Motion Control und EtherCAT
Das Steuerungssystem des Teleskops basiert auf TwinCAT 2 NC PTP und einem 19-Zoll-Einschub-Industrie-PC C5102, der Azimut und Elevation des Teleskops exakt regelt. Neben digitalen und analogen Ein- und Ausgängen, die für die Steuerung des Teleskops erforderlich sind, erleichterte das Kommunikations-Interface EL6688 (IEEE 1588/PTP) die Programmierung und Implementierung des Precision Time Protocols. Diese EtherCAT-Klemme unterstützt als Teilnehmer im IEEE-1588-Synchronisierungssystem PTPv1 (IEEE 1588-2002) und PTPv2 (IEEE 1588-2008). „Die Synchronisation der Uhren ist entscheidend, um Teleskope sehr präzise mit den Bewegungen der zu beobachtenden Sterne und Galaxien zu synchronisieren“, betont Jose Miguel Herreros, Direktor Engineering des IAC. Eine weitere große Herausforderung war, die Achsen sowohl bei sehr langsamen Geschwindigkeiten als auch bei höheren Geschwindigkeiten mit sehr hoher Präzision zu bewegen. Die Ursache lag im großen Trägheitsmoment des Direktantriebs der Azimutachse. Das erforderte umfangreichere Anpassungen des Geschwindigkeitsreglers im damals eingesetzten Servoverstärker AX2000“, erinnert sich Roberto Iraola, Sales Manager bei Beckhoff Spanien, „was für den Erfolg des Projekts von grundlegender Bedeutung war.“
Auf dieses Projekt folgte das Quijote-II-Teleskop für das TFGI-Instrument (Thirty and Forty GHz Instrument), das aus insgesamt 30 Empfängern besteht. Bei diesem Teleskop wurden bereits Digital Kompakt-Servoverstärker AX5000 eingesetzt. Beide Teleskope wurden in enger Zusammenarbeit von dem spanischen Unternehmen IDOM mit Beckhoff entwickelt; die Steuerungssoftware beider Teleskope wiederum von IAC-Mitarbeitern. 2022 wurden beide Steuerungssysteme auf TwinCAT 3 sowie 19-Zoll-Einschub-Industrie-PCs C5240 migriert. „Derzeit arbeiten wir mit Beckhoff an vielen Projekten wie ‚Harmoni‘ für das Extremely Large Telescope (ELT) oder Robotik-Teleskopen sowie an verschiedenen Instrumenten, die an diesen Teleskopen montiert sind“, so Jose Miguel Herreros.
Umfassende Modernisierung
Die Teleskope Carlos Sánchez (TCS) und IAC80 des Teide-Observatoriums auf Teneriffa werden von den Astronomen über Computeranwendungen manuell gesteuert, die bereits in den 1990er Jahren entwickelt wurden. Diese Anwendungen umfassen neben der Bewegungssteuerung auch die Steuerung der Subsysteme wie Kuppel, Fenster, Tore, Abdeckungen sowie die Überwachung der Wetterstation, Alarme und GPS-Signale. Dieses Steuerungssystem bestand anfangs aus einem PC mit Einsteckkarten für die Kommunikation mit den Subsystemen. Die Bedienung erfolgte über einen weiteren PC, der über RS232 mit dem Steuerrechner kommunizierte. Obwohl einige Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen wurden, basiert ein Großteil des Steuerungssystem immer noch auf inzwischen völlig veralteten Komponenten.
Ein Mitte 2019 gestartetes und noch nicht abgeschlossenes Projekt hat das Ziel, die Steuerungen dieser Teleskope auf eine moderne und robuste Soft- und Hardware zu migrieren und dabei eine zeitgemäße Fernsteuerung (remote control) zu realisieren. Diese künftige High-Level-Steuerungssoftware wird auf dem Open-Source-Betriebssystem ROS (Robot Operating System) basieren; die darunterliegende Steuerungsarchitektur wiederum auf EtherCAT und TwinCAT 3 von Beckhoff. Um die technischen Risiken des Projekts zu reduzieren, wurde ein Teleskop-Simulator entwickelt, der das Antriebssystem und das Datennetzwerk der Teleskope repräsentiert und als virtueller Prüfstand für die Entwicklung und Erprobung des neuen Systems dient. Erst nach ausgiebigen Tests folgt die Implementierung auf Teleskopebene. Darüber hinaus wird die Eignung von TwinCAT Vision für die automatische Sternverfolgung mit Teleskopen untersucht. Für die Erprobung wurde ein Autoguidingsystem definiert, das ebenso für weitere Teleskopnachführungen verwendet werden kann.

Anderer Standort, gleiche Technologie
Das Observatorium Roque de los Muchachos (ORM) am Rande des Nationalparks Caldera de Taburiente in 2.396 m Höhe in der Gemeinde Garafía (La Palma) verfügt über eine der umfassendsten Teleskoptechnologien der Welt. Dank der klaren Atmosphäre und weit ab von störenden Lichtquellen gelegen, bietet dieses Observatorium die besten Voraussetzungen für astronomische Forschungen. Daher konzentrieren sich an diesem Standort einige der größten Teleskopprojekte sowie die neue Generation Cherenkov-Teleskope zur Erforschung des Universums anhand sehr energiereicher Gammastrahlen.
Derzeit verfügt das Observatorium mit dem „Gran Telescopio de Canarias“ (GTC) über das größte optische und Infrarot-Teleskop der Welt sowie zwanzig weitere Teleskope und astronomische Instrumente, z. B. für nächtliche, robotische, sonnenphysikalische und astrophysikalische Beobachtungen mit hoher Energie. Mit diesen Teleskopen wurden bereits große Fortschritte bei der Erforschung des Universums erzielt, wie z. B. die am weitesten entfernte Galaxie ermittelt oder die Existenz von schwarzen Löchern und die beschleunigte Expansion des Universums bestätigt.
Teleskop der Superlative
Das GTC ist mit 10,4 m Spiegeldurchmesser das größte Teleskop dieser Sternwarte, dessen Planung bereits 1994 begann und rund 15 Jahre später in den wissenschaftlichen Betrieb ging. Da die Technologie des damals spezifizierten Steuerungssystems veraltet war, wurde es inzwischen durch PC-based Control ersetzt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Subsysteme wie die Gebäudeautomation und die Beleuchtungssysteme integriert. „Dank der offenen PC-basierten Technologie und der Erfahrung, die Beckhoff in der Gebäudeautomatisierung hat, können wir auch diese Subsysteme realisieren“, so Roberto Iraola.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Beckhoff und GTC erstreckt sich nicht nur auf die Modernisierung, sondern auch auf die Entwicklung neuer Technologien wie Instrument Calibration Modules (ICMs). Bei wissenschaftlichen Instrumenten ist es üblich, für deren Kalibrierung ein ICM zu verwenden. Beim GTC besteht dieses System aus einer Reihe von Leuchten mit definierten Wellenlängen sowie einer Mechanik zur Positionierung eines Parabolspiegels, der das Licht auf den Teleskopspiegel reflektiert. Mit PC-based Control werden die Spektral- und Glühlampen dieses ICMs angesteuert und gedimmt. Zusätzlich wurde eine CANopen-Schnittstelle (Master) für den Betrieb mit der bestehenden CANopen-Infrastruktur implementiert.
Mit dem ICM-FC folgte 2018 ein weiteres Calibration Module. Bei diesem Projekt wurde TwinSAFE eingesetzt, um Bewegungen des Spiegels und die Ansteuerung der Beleuchtung auszuschließen, wenn Personen in der Nähe sind. Darüber hinaus wurde bei diesem ICM die Steuerung der Stromversorgung von Hohlkathodenlampen integriert. Weitere Projekte wie die Überwachung und Steuerung der Kompressoren des Heliumtanks und deren Kältemittel wurden ebenfalls mit Beckhoff Technologie realisiert.